Botenstoff 01: Haufe Akademie. Alles wird leicht.

Wie die Haufe Akademie durch ein mutiges Markenprojekt ihren Sinn und Nutzen für die Kunden ganz neu verstehen lernt.

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Sinn stiften.

Zwölf Lebensgeschichten. Eine Idee: zwei Jahre Entwicklung erleichtern. Mit s.mile startete die Haufe Akademie in Freiburg ein ganz außergewöhnliches Markenprojekt: Was wäre, wenn wir einer überschaubaren Gruppe von Menschen über zwei Jahre alle unsere Leistungen und Angebote unentgeltlich zur Verfügung stellen würden. Was wäre, wenn Geld und Zeit keine Hürde und Grenze für persönliche Weiterbildung und Entwicklung mehr wären? Gefragt – getan: So entstand ein beeindruckendes Erfahrungsfeld für die Teilnehmer und das Unternehmen, dessen wertvolle Ergebnisse keine Strategie im Vorfeld hätte absehen können. Ein Plädoyer über den Nutzen, sich als Unternehmen einmal zielgerichtet zu verlieren.

s.mile: Entwicklung erleichtern.

Ein Telefon-Interview von Projektleiter Michael Buttgereit mit Mario Kestler (Mario Kestler ist langjähriger Geschäftsführer der Haufe Akademie und verantwortlich für das Marketing. Er ist Initiator von s.mile und begleitete das Projekt von der Ideenfindung bis zum Abschluss.)

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Mario Kestler

Michael Buttgereit (MB): Vor drei Jahren haben wir gemeinsam mit euch das Projekt s.mile konzipiert, das in diesem Sommer seinen ersten Projektabschluss findet. Was war die eigentliche Intention aus Sicht der Haufe Akademie?

Mario Kestler (MK): Unsere Intention war es, ein Projekt zu finden, mit dem unser Markenkern „Entwicklung erleichtern“ für alle erfahrbar wird. Wir haben festgestellt, dass unsere Organisation, mit erfolgreichem Wachstum, immer arbeitsteiliger geworden ist und es schon eine Hürde war, unseren eigenen Mitarbeitern zu vermitteln und sie spüren zu lassen, wozu unser Unternehmen eigentlich da ist. Wir wissen nämlich gar nicht, ob unsere Kunden sich dem Thema Entwicklung tatsächlich so widmen, wie wir uns das wünschen.

Und dann ist die Idee herausgekommen ein Projekt zu starten, in dem wir unter Idealbedingungen modellhaft aufzeigen, was unsere Arbeit bewirken kann. Dafür haben wir uns Teilnehmer herausgesucht, die zwei Jahre lang uneingeschränkten Zugang zu unserem kompletten Leistungsspektrum haben sollten und jeweils von einem Coach über den Zeitraum begleitet werden. Und wir haben sichergestellt, dass die Teilnehmenden an dem Projekt durch nichts in diesen zwei Jahren behindert werden, sich ihrer Entwicklung zu widmen.

Diese Entwicklungsgeschichten wurden zwei Jahre mit der Kamera begleitet, mit dem Ziel, eine Filmdokumentation entstehen zu lassen, die zeigt, was passiert, wenn Menschen sich ihrer Entwicklung uneingeschränkt widmen dürfen. Und damit wollten wir modellhaft auch echte Geschichten erlebbar machen, damit unsere Mitarbeitenden wieder wahrnehmen können, was für einen wertvollen Beitrag sie zur Erleichterung von Entwicklung täglich beitragen. Dazu haben wir den renommierten Filmemacher Kristian Gründling (Die Stille Revolution) gewinnen können, der uns über den Projektzeitraum begleitet hat.

MB: Jetzt seid ihr ja ein wachstumsorientiertes Unternehmen und Wachstumsorientierung bedeutet auch, Strategien zu entwickeln, dass euer Unternehmen einen optimalen Ertrag bringt. Ein solches Projekt zu starten, das ja ein nicht unerhebliches zeitliches, personelles und monetäres Invest bedeutet, war das leicht bei euch in der Organisation mit allen Verantwortungsträgern zu entscheiden?

MK: Es war am Anfang erst einmal ungewohnt, dass wir etwas tun werden, das eben nicht direkt in Umsatz, Ergebnis, Marktanteile und so weiter einzahlt, und wir hatten keine Ahnung, wie man das Ergebnis und den Erfolg messen kann. Aber in dem Moment, als die Kollegen in der Geschäftsführung verstanden haben, was darin steckt – etwas dafür zu tun, unser Markenversprechen einzulösen, und dies eben nicht nur auf den klassischen werblichen Wegen zu tun, sondern einfach ein Projekt zu starten, mit dem wir auch ­andere ermutigen, sich mehr um Entwicklung zu kümmern, da hat das eine neue Dimension aufgemacht: Wir lösen unser Marken­versprechen erkennbar einzigartig ein. Und als das verstanden wurde, war die Entscheidung ganz leicht.

MB: Wenn man sich ein Invest anschaut, dann guckt man auf der anderen Seite auch: „Was könnte das für einen Ertrag bringen? Das war ja nun wirklich ein Experiment, also etwas, was man einfach ausprobiert, ohne dass ihr jetzt sofort einen strategischen Plan damit verfolgt habt. Was für Erkenntnisse hast du oder habt ihr damit gewonnen? Also eigentlich unstrategisch vorzugehen, einfach die Dinge sich mal so entwickeln zu lassen – sich ein Stück weit ohne Erwartungen zu verlieren, um sich dann hoffentlich ganz neu als Unternehmen wiederzufinden.

MK: Ja, es sind zwei Ebenen, die eine war eben dieses Experiment: Da waren wir offen dafür und da sagten wir: Schauen wir mal, was passiert und was wir daraus lernen können. Wird es gelingen, nach diesem Projekt unsere eigene Organisation, unsere Mitarbeitenden zu beflügeln, sich mit dem Markenversprechen, mit dem Sinn unseres Daseins ganz neu zu identifizieren – sich dahinterzustellen und sich neu dafür begeistern zu können? Würde das Energie freisetzen? Spürt man, dass man auf einer gemeinsamen Mission unterwegs ist? Verbessert das das Zusammenarbeits­klima? Das waren alles so Dinge, die konnten wir vorher nicht wissen– das war das Experiment. 

„Das Versprechen der Marke auf eine emotionale Weise erfahrbar machen.“

MB: Könntest du konkret sagen, was die starken Lernerfahrungen für die Teilnehmer und das Unternehmen waren?

MK: Zum einen war es eine wichtige Erfahrung, dass, selbst wenn man Menschen völlig freistellt, sich dafür zu entscheiden, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen, sie erst einmal geneigt sind, die Erwartungshaltungen von anderen zu bedienen. Es ist gar nicht so einfach, Potentialentfaltung anzubieten, weil viele Menschen offensichtlich daran gewöhnt sind, das nur für andere, für das Unternehmen, dem sie angehören, zu tun. Also das ist eine Hürde für Menschen, sich das herauszunehmen, dass irgendwas tatsächlich ihrer eigenen, ganz persönlichen Weiterentwicklung dienen soll. Da haben wir gemerkt, dass man zukünftig mehr Boden dafür bereiten muss, dass das möglich ist. Das war Learning Nummer eins.

Zweitens: Diese Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmern unseres Projektes und den Coaches war deutlich intensiver, als wir das anfangs gedacht hatten. Also auch dieses Herstellen einer Klarheit: In welche Richtung soll es gehen? Was ist denn wirklich mein Weg? Wie komme ich an meine geheimsten Motive, Träume, Wünsche, Leidenschaften heran? Was wollte ich immer schon mal tun? Wo möchte ich noch einen Zahn zulegen? Das überhaupt herauszukristallisieren war ein Hauptteil der Arbeit, der normalerweise nicht so einen hohen Stellenwert hat, wenn sich jemand für ein Seminar oder ein Training bei uns entscheidet.

Und das dritte große Learning für uns war, wie stark diese Wünsche, sich in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, geprägt sind von privaten Lebensumständen. Das sind Dinge, die wir über unsere Kunden gar nicht mitbekommen. Da spielt familiäre Planung eine Rolle, eine Balance zwischen beruflichem und privatem Engagement – dem familiären Background. Da spielen Dinge eine Rolle, wie Ups and Downs aus dem alltäglichen Leben, die das einfach massiv beeinflussen, wie stark sich jemand seiner Entwicklung gerade widmen kann oder will oder nicht, und das sind alles Situa­tionen, für die wir Angebote machen können. Aber in die Ausgestaltung dieser Angebote haben wir diese privaten Lebensumstände noch gar nicht mitbedacht. Und das ist es, was bei uns die Fantasie beflügelt hat: Wie können wir Menschen in den verschiedensten privaten Lebensumständen die richtigen Angebote machen, damit Entwicklung noch besser möglich wird?

MB: Im Gegensatz zu eurer sonstigen „Beziehung“ zum Markt seid ihr hier eine sehr persönliche Beziehung zu den teilnehmenden Menschen eingegangen. Was war in diesem ­Zusammenhang die für dich wertvollste, persönliche Erfahrung?

MK: Ja, also die wertvollste, persönliche Erfahrung war halt in eine wachsende Verbundenheit, in einen persönlichen Kontakt zu kommen, also ins gemeinsame Spüren zu kommen. Letzten Endes gibt es einige Situationen im Verlauf dieser zwei Jahre, in denen wir intensiv mit den Teilnehmern gearbeitet haben, wo der Nutzen, den wir stiften, nicht nur abstrakt blieb, sondern wo man wirklich merkt: Mensch, da ist man beteiligt gewesen daran, dass jemand seinen Weg klarer sieht, dass er einen Schritt vorankommt für sich auf seinem Lebensweg.

Das ist einfach berührend und bewegend und diese Berührung und Bewegung zu spüren ist ein komplett anderer Zustand, in dem man sich befindet, wenn man über sein Unternehmen nachdenkt, als in dieser Abstraktion, da draußen gibt es irgendwo einen Markt und Zielgruppen und Prozentzahlen und wer ­gehört wohin und so weiter und so fort.

Also dieser Brückenschlag hin zum Kunden, der uns in der Menge natürlich nicht gelingt – wir haben 180.000 Teilnehmer jedes Jahr – da können wir nicht zu jedem so eine Beziehung herstellen. Aber das Bewegende war, dass es in diesem Projekt gelungen ist, dies exemplarisch, mit einer Auswahl unserer Kunden, dann doch zu tun. Und das hat einfach so eine persönliche Sinnerfahrung ausgelöst, wo es nicht nur darum geht, dass alles so klappt im Unter­nehmen und ob wir uns in eine richtige Richtung entwickeln, sondern in der persönlichen Verbindung mit den Kunden wird das einfach zu einem berührenden Moment einer ganz neuen Erfahrung und damit zu einem erweiterten Lernfeld für das Unternehmen.

„Mensch, da ist man beteiligt daran, dass jemand seinen Weg klarer sieht.“

MB: Kann man aus diesem experimentellen Ansatz, sich durch ein solches Projekt einmal ganz neu vertiefend kennenzulernen, indem man mal nichts verkauft, sondern sich zielgerichtet verschenkt – irgendetwas Übertragbares für andere Unternehmen ableiten?

MK: Die Voraussetzung, so etwas machen zu können, ist, dass das Unternehmen sich zum einen bewusst ist, welchen Sinn es erfüllt. Also die Bewusstheit des eigenen Markenkerns, wofür steht das Unternehmen, ist eine zwingende Voraussetzung, und wenn ich letztendlich das nicht genau weiß, kann ich kein Projekt aufsetzen und die eigenen Mitarbeiter oder auch andere Teilnehmer im Markt damit in Kontakt bringen. Also das ist die Voraussetzung dafür.

Das Zweite ist der Brückenschlag zwischen dem vermeintlichen Innen und Außen, den es so eigentlich gar nicht gibt, denn alles, was ein Unternehmen intern hervorbringt, hat eine Wirkung nach außen. Es geht also genau um diesen Brückenschlag, den sichtbar zu machen. Das haben wir gemacht, durch die Dokumentation von der Wirkung von Training und Coaching. Es ist aber genauso für andere Branchen denkbar. Die Magie, die darin steckt, wenn ein Kunde eine Leistung oder ein Produkt erlebt und sich damit anfreundet, die bekommt der­jenige, der das Produkt herstellt, in der Regel nicht mit. Und diese Brückenschläge ­herzustellen, kann man, so glaube ich, in ­jeder Branche über­legen und da muss jedes Unternehmen seinen individuellen Weg finden und ich ­glaube, dass das konzeptionell die gleiche Art ist, ganz egal was für ein ­Unternehmen es ist.

MB: Also würdest du Unternehmen Mut machen, einfach mal ganz bewusst vom unternehmerischen strategischen Alltag, vom Weg, abzukommen? 

MK: Unbedingt, unbedingt. Also ich habe mich mit der Professorin Heike Bruch (Universität St. Gallen) unterhalten, die gesagt hat: Es käme eigentlich auf drei Kriterien an, damit so etwas gelingen könnte. Zum einen das Markenversprechen auf einer emotionalen Ebene erfahrbar zu machen. Zweitens es synchron erfahrbar zu machen. Das muss ein gemeinschaftliches Erleb­nis sein, und drittens eben der Brückenschlag vom Mitarbeiter, der nur in den internen Strukturen seines Unternehmens denkt, nach draußen zum Kunden. Das sind also eigentlich die drei Kriterien und natürlich so unterschiedlich wie Unternehmen sind, kommen da wohl ganz unterschiedliche ­Lösungen raus.

„Ich glaube, da steckt noch jede Menge Potenzial für Umsetzungsideen drin.“

MB: Meine abschließende Frage: Bei einem solchen Projekt weiß man letztlich nicht, was es für eine Wertschöpfung bringt und was es auch noch in den nächsten Monaten und Jahren für eine Wertschöpfung einbringt, weil es euch möglicherweise auf ganz neue Ideen bringt für Produkte oder dass ihr ein starker Multiplikator seid für einen solchen Gedanken. Im Sommer erscheint ein Buch, es wird einen Film geben, also das, was daraus entstehen kann, ist noch gar nicht absehbar. Was würdest du dir wünschen, was für euch aus diesem zweijährigen Projekt noch entstehen soll?

MK: Also zum einen: Das ist richtig, es ist nicht absehbar. Es sind bislang auch schon ­Effekte eingetreten, die vorher nicht absehbar gewesen sind. Also beispielsweise haben wir Bewerber, die uns erklären, dass es sie reizt, bei uns zu arbeiten, weil sie über dieses Projekt gestolpert sind. Mithin ging es gar nicht so sehr darum, welche Produkte wir verkaufen, sondern um die Tatsache, dass wir ein solches Projekt machen und wie wir es machen. Das hat Bewerber davon überzeugt, dass wir wahrscheinlich ein guter Arbeit­geber für sie sind. Das ist das eine, das hat auch überhaupt nicht auf dem Wunschzettel gestanden, aber ein wünschenswerter Effekt ist trotzdem passiert. Dann erleben wir, dass wir Nachfragen bekommen und dass wir ­erste Anfragen von Unternehmen erhalten, so ein Projekt firmenintern aufzuziehen, sprich: einer Auswahl der eigenen Mitarbeiter möglichst zwei Jahre lang uneingeschränkten Zugang zu Entwicklung zu geben und zu schauen im Experiment, was da passiert – also da gibt es nun Nachahmer.

Und wir haben erlebt, dass es Interesse gibt, mit uns darüber zu reden, welche Ideen hinter diesem Projekt stecken. Kann das Impulse für andere Unternehmen liefern, auf ganz eigene Art und Weise auch über solche Ideen und Projekte nachzudenken? Also das hat eine Resonanz ausgelöst, die am Anfang nicht planbar war, die auch gar nicht intendiert war, weil wir anfangs gedacht haben, wir machen das vor allem, damit unsere eigenen Mitarbeiter den Markenkern wieder erleben und sich Leute dahinter versammeln können. Und trotzdem hat es eben eine Wirkung ­gehabt, die glaube ich noch nicht zu Ende ist.

Ich glaube, dass durch das Erscheinen von Buch und Film nochmal dieses Thema auf einer breiteren Ebene auftaucht, und was wir uns wünschen würden, ist, dass wir mit dem Projekt andere Unternehmen dazu ermutigen, der Entwicklung ihrer Mitarbeiter einen ganz eigenen und hohen Stellenwert zu geben. Denn die Entwicklungsfähigkeit, die Veränderungsbereitschaft, die Lernfähigkeit von Organisationen und damit der Menschen in den Organisationen ist halt ein ganz wichtiges Kriterium, um überhaupt Zukunft gestalten zu können.

Und deswegen ist eben diese zweckorien­tierte Entwicklung: Mitarbeiter A, B, C müssen in acht Wochen die gewissen Skills haben, also schicken wir sie zu den Trainings, die eine Sache. Aber eben anzuerkennen, dass Mitarbeiter auch Entwicklungswünsche für sich selber haben und haben dürfen, das setzt halt auch jede Menge Energie frei, auch anders über Dinge nachzudenken, eben in reinzugehen, sich mit dem Unternehmen stärker zu identifizieren, weil es einem die Freiheit lässt, sich auch ganz eigenständig zu entwickeln. Ich glaube, da steckt noch jede Menge Potenzial für Umsetzungsideen drin, dass die Unternehmen mit ihren Mitarbeitern eine ganz andere Tiefe von Beziehung erreichen können.

MB: Ja, wunderbar. Mario, ich bin beeindruckt, wie du das fast druckreif alles beantwortet hast.

MK: Ja, danke schön! Aber ich hab auch schon ein paarmal darüber sprechen dürfen.

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Michael Buttgereit Professor für Kommunikationsdesign an der ecosign, Gründer der Guten Botschafter und bis Ende 2021 geschäftsführender Gesellschafter